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EN LOS LIMITES DE LA REALIDAD

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domingo, 13 de enero de 2013

666 - Edgar Allan Poe - Eleonora



Adgar Allen Po
Eleonora
Eleonora
Sub conservatione formae specificae salva anima. (Raymond Lully)
Ich stamme aus einem Geschlecht, das durch kraftvolle Phantasie und heiße Leidenschaftlichkeit
ausgezeichnet ist. Die Menschen haben mich einen Wahnsinnigen
genannt; aber es ist noch die Frage, ob der Wahnsinn nicht die höchste
Stufe der Geistigkeit bedeutet, ob nicht vieles Glorreiche und alles Tiefe seinen
Ursprung in einer Krankhaftigkeit des Gedankens, in dem besonderen Wesen
eines Zustandes hat, der auf Kosten des allgemeinen Verstandes aufs äußerste,
und zwar einseitig, erregt ist. Die Menschen, die am hellen Tage träumen, lernen
Dinge kennen, die denen entgehen müssen, die nur nachts träumen. Durch
den grauen Nebel ihrer Visionen dringen die ersten Lichtschimmer der Ewigkeit
zu ihnen, und halb erwachend fühlen sie mit Schaudern, daß sie einen Augenblick
lang an das große Geheimnis gerührt haben. Ruckweise erfassen sie einiges
von der Weisheit, die gut, und vieles von der Erkenntnis, die böse ist. Sie
dringen ohne Ruder und Kompaß auf dem ungeheuren Ozean des ›unaussprechlichen
Lichtes‹ vor, und wieder, wie in den Abenteuern des nubischen Geographen,
›agressi sunt mare tenebrarum, quid in eo esset exploraturi‹.
Bleiben wir also dabei: ich bin wahnsinnig. Dennoch erkenne ich deutlich zwei
unterscheidbare Zustände meines geistigen Seins: den Zustand vollständig klaren,
nicht anzuzweifelnden Verstandes, der sich auf die Erinnerung aller Ereignisse
erstreckt, welche die erste Epoche meines Lebens bildeten – und den
umdunkelten Zustand voller Zweifel, in den meine Seele jetzt versunken ist
und der alle Erinnerungen an Begebenheiten aus der zweiten großen Epoche
meines Lebens betrifft. Glauben Sie also alles, was ich Ihnen von der ersten
Periode erzähle, und von der zweiten nur das, was Ihnen glaubwürdig erscheint.
Oder zweifeln Sie ruhig alles an; sollten Sie dies aber nicht können, so spielen
Sie wenigstens den Ödipus vor dem Rätsel der Sphinx meiner Seele.
Sie, die ich in meiner Jugend liebte und der zum Andenken ich dies hier niederschreibe,
war die einzige Tochter der einzigen Schwester meiner langver-
im Tal des Vielfarbigen Grases wie in einem Schloß voll zauberhafter Herrlichkeit
gefangen hielt.
Eleonorens Schönheit war die der Seraphim; doch war sie einfach und natürlich
und unschuldig, wie das kurze Leben, das sie unter den Blumen unseres
Tales geführt hatte. Keine Künstlichkeit verbarg die Glut der Liebe, die ihr Herz
empfand – dieses Herz, dessen geheimste Verborgenheiten sie mir enthüllte,
wenn wir zusammen umherstreifen und über die machtvollen Veränderungen
sprachen, die sich in so kurzer Zeit in unserem Tal vollzogen hatten.
Eines Tages, als wir von jener letzten traurigen Veränderung sprachen, die alle
Menschen erdulden müssen, ließ sie von diesem schmerzvollen Thema nicht
mehr ab und wußte es in jede Wendung unseres Gesprächs zu bringen... Sie
fühlte wohl, daß der Finger des Todes ihre Brust berührt hatte – gleich dem
Leben der Eintagsfliege hatte sich ihre Schönheit nur entfaltet, um zu sterben;
doch alle Schrecken des Todes waren für sie in dem einen Gedanken enthalten,
von dem sie eines Abends im Zwielicht an den Ufern des Flusses zu mir
gesprochen hatte. Es bereitete ihr Kummer, zu denken, daß ich, wenn ich sie
im Tal des Vielfarbigen Grases begraben hätte, diese selige Stätte auf immer
verlassen und die leidenschaftliche Liebe, die jetzt ihr galt, einer Tochter der
äußeren, alltäglichen Welt schenken werde. Doch ich warf mich ihr zu Füßen
und schwor ihr und dem Himmel einen Eid , daß ich niemals ein Kind der Welt
zur Ehe nehmen wolle, daß ich niemals ihrem Angedenken und der Erinnerung
an die heiße Liebe, mit der sie mich beseligt, abtrünnig werden werde.
Ich rief den allmächtigen Herrscher der Welt zum Zeugen der frommen Feierlichkeit
meines Gelübdes an. Und der Fluch, den ich von ihm und von ihr –
der Heiligen im Paradiese – auf mich herabrief, sollte ich mein Gelöbnis brechen,
schloß eine so schauerliche Strafe in sich, daß ich ihn nicht niederzuschreiben
vermag. Bei meinen Worten erglänzten Eleonorens Augen in höherem
Licht; sie seufzte auf, als sei ihr eine tödliche Last vom Herzen genommen,
sie zitterte und weinte bitterlich, doch nahm sie meinen Eid entgegen...
Sie war ja noch ein Kind, und ich weiß: dieser Eid hat ihr das Sterben leichter
gemacht.
Mitte des Tales fiel. Ihre ebenholzfarbene Rinde war silbergesprenkelt und weicher
als alles – es sei denn man hätte Eleonorens Wangen gefühlt. Ohne die
glänzenden, grünen, riesigen Blätter, die in zitternden Linien von ihrem Gipfel
herabhingen und mit dem Zephyr spielten, hätte man sie für ungeheure syrische
Schlangen gehalten, die der Sonne, ihrer Herrscherin, Huldigungen darbrachten.
Eleonora und ich streiften fünfzehn Jahre lang Hand in Hand in dem Tal
umher, ehe die Liebe in unsere Herzen einzog. Eines Abends, gegen Ende
des dritten Lustrums ihres Lebens und im vierten des meinigen, saßen wir
innig umschlungen unter den Schlangenbäumen und betrachteten unser Bildnis,
das der ›Fluß des Schweigens‹ widerspiegelte. Wir sprachen an diesem
köstlichen Abend kein Wort, und auch am folgenden Morgen war unsere Rede
noch zitternd und zögernd. Gott Eros war aus den Wellen zu uns heraufgestiegen,
und wir fühlten, daß er die feurige Seele unserer Vorväter in uns entzündet
hatte. Die Leidenschaftlichkeit und die blühende Kraft der Phantasie,
die Jahrhunderte lang unser Geschlecht ausgezeichnet, kam über uns und
hauchte ein Übermaß von Seligkeit durch das Tal des Vielfarbigen Grases.
Alle Dinge veränderten sich. Seltsame, leuchtende, sterngestaltete Blumen
brachen an Bäumen auf, an denen wir bis dahin nie Blüten bemerkt hatten.
Die Tinten des grünen Teppichs vertieften sich, die weißen Gänseblümchen
verschwanden, eins nach dem anderen, und an der Stelle eines jeden schossen
je zehn rubinrote Asphodelen auf. Und Leben erhob sich auf unseren stillen
Pfaden, denn der große Flamingo, den wir bis dahin noch nie gesehen,
und zahllose muntere, leuchtend beschwingte Vögel entfalteten ihr strahlendes
Gefieder. Gold- und Silberfische durchschossen den Fluß, aus dessen Schoß
nach und nach ein Flüstern heraufklang, das zu einer sanften, wiegenden Melodie
anschwoll, die himmlischer tönte als der Gesang der Äolsharfe, süßer als
alles – es sei denn, man hätte Eleonorens Stimme gehört. Es kam auch eine
ungeheure Wolke heran, die wir schon lange in Hesperus' Gebiet beobachtet
hatten. Es rieselte in ihr von goldenem und purpurnem Lichte – gerade
über uns blieb sie stehen und senkte sich Tag für Tag tiefer, bis sie auf den
Spitzen der Berge ruhte, ihre Düsterkeit in Glanz verwandelte und uns unten
Doch Eleonora hatte ihr Versprechen nicht vergessen. Ich hörte, wie Engel um
mich her Weihrauchschalen schwangen und fühlte Ströme heiligen Duftes das
Tal durchfluten; und in einsamen Stunden, wenn mein Herz laut schlug, trugen
die Winde, die meine Stirne badeten, weiche Seufzer zu mir her. Leises
Flüstern erfüllte oft nachts die Luft, und einmal – ach, nur einmal – erwachte
ich aus meinem Schlummer, der tief gewesen war wie ein Todesschlaf, weil
zwei unirdische Lippen die meinen berührt hatten... Aber dies alles konnte die
Leere meines Herzens nicht füllen. Es verlangte wieder nach der Liebe, von
der es vorher so übervoll gewesen. Im Laufe der Zeit quälte mich der Aufenthalt
im Tal, in dem mich alles an Eleonora erinnerte, und ich vertauschte es für immer
gegen die Eitelkeiten und friedlosen Freuden der Welt.
Ich fand mich in einer fremden Stadt, in der alle Dinge wie geschaffen waren,
mich die Träume, die ich so lange im Tal des Vielfarbigen Grases geträumt hatte,
vergessen zu machen. Der Pomp und das üppige Wesen eines reichen Hofes,
berauschendes Waffengetön, die strahlende Schönheit der Frauen – all dies blendete
mich und machte meinen Geist trunken. Doch war meine Seele bis jetzt
ihrem Gelübde treu geblieben, und immer noch gab mir Eleonora in den stillen
Stunden der Nacht Anzeichen ihrer Gegenwart. Plötzlich hörten diese Zeichen
auf, die Welt wurde schwarz vor meinen Augen, und ich stand erschrocken
– erschrocken über die glühenden Gedanken, die in mir erwachten, über die
Gewalt der schrecklichen Versuchung, die mich anfiel. Aus einem fernen, fernen,
unbekannten Land kam ein Mädchen an den Hof des Königs, dem ich
diente. Ihrer Schönheit ergab sich mein abtrünniges Herz im ersten Augenblick,
da ich sie sah... Ohne Widerstand warf ich mich in heißer, abgöttischer Liebe
vor dem Schemel ihrer Füße nieder. Was waren meine Gefühle zu dem jungen
Mädchen, das im Tal des Vielfarbigen Grases begraben lag, im Vergleiche
zu der Glut, dem Übermaß und Überschwang der wilden, ganz selbstvergessenen
Anbetung, mit der ich meine Seele vor dieser anderen ausströmte! 0
herrlich, herrlich war Ermengard! Sie, an der ich jetzt mit jedem meiner Gedanken
hing! Und wenn ich in die Tiefen ihrer heißen, seltsamen Augen blickte,
war Eleonora vergessen.
Wenige Tage später, als sich der Tod ihrem Lager schon näherte, sagte sie mir,
daß sie zum Dank für das, was ich für die Ruhe ihrer Seele getan habe, mit
dieser selben Seele nach dem Tode über mich wachen werde. Sie wolle wiederkommen
und mir des Nachts sichtbar erscheinen. Doch wenn dies über die
Macht der Seelen im Paradies hinausginge, so wolle sie mir wenigstens Andeutungen
ihrer Gegenwart geben. Sie werde mit dem Abendwind um mich seufzen
und die Luft, die mich umwehe, mit dem Dufte der himmlischen Weihrauchschalen
erfüllen. Mit solchen Worten auf den kindlich unschuldigen Lippen verschied
sie.
Bis hierher habe ich wahrheitsgetreu erzählt. Aber da ich die Grenzlinie, die
der Tod meiner Geliebten auf meinem Lebenspfad gezogen hat, überschreite
und zur zweiten Periode meines Daseins komme, fühle ich, daß eine Wolke
mein Gehirn umschattet und daß ich selbst nicht mehr an die vollständige
Gesundheit meines Gedächtnisses zu glauben vermag. Doch ich will fortfahren.
– - – Jahre schleppten sich langsam vorüber, und ich wohnte noch immer
im Tal des Vielfarbigen Grases. Aber eine zweite Veränderung war vor sich
gegangen. Die sterngestalteten Blüten hatten sich in die Rinde der Bäume
zurückgezogen und kamen niemals mehr hervor. Die Tinten des grünen Teppichs
verblaßten, die rubinroten Asphodelen verwelkten eine nach der anderen,
und an der Stelle einer jeden erblühten zehn dunkle Veilchen, die wie weinende
Augen im Tau erglänzten. Das Leben verschwand von unseren Pfaden,
denn niemals mehr breitete der große Flamingo sein Scharlachgefieder vor uns
aus; traurig zog er sich aus dem Tal in die Berge zurück und all die munteren
Vögel mit ihm. Die Silber- und Goldfische flohen in die Schlucht an der Grenze
unseres Reiches und schimmerten nie wieder durch die schönen Wasser des
Flusses. Und seine zärtliche Musik, die süßer gewesen war als die der Äolsharfen,
als alles, ausgenommen Eleonorens Stimme, erstarb nach und nach in
Murmeln, bis auch dieses ganz verstummte und der Fluß wieder mit der Feierlichkeit
seines ursprünglichen Schweigens dahinrollte. Endlich erhob sich auch
die große Wolke und gab die Gipfel der Berge ihrer alten Finsternis zurück.
Sie glitt wieder in Regionen des Hesperus und raubte dem Tal des Vielfarbigen
Grases seinen purpurgoldenen Glanz.
Ich vermählte mich mit Ermengard und fürchtete den Fluch nicht, den ich auf
mich herabrief .
Da, einmal wieder, im Schweigen der Nacht, kamen die leisen Seufzer, die ich
so lange nicht mehr vernommen, mit dem Winde durch mein Fenster und klangen
zusammen zu einer vertrauten, süßen Stimme, die also sprach: »Schlafe
in Frieden! Der Geist der Liebe herrscht! Und wenn du Ermengard an dein wildes
Herz drückst, bist du aus Gründen, die dir im Himmel offenbar werden sollen,
von deinem Gelübde an Eleonora entbunden... «


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